Kajakunfall:
Versicherungen & Co – wer zahlt im ‚worst case‘?
So schnell kann’s passieren
Rechtzeitig zum Bregi-Ablass waren wir wieder in Vorarlberg am Start und voller Vorfreude darauf, diesen Klassiker mit „ordentlich Wasser“ fahren zu dürfen. Leider hatten sich die Kraftwerke das, was als „ordentlich“ anzusehen war, anders vorgestellt als die Kajak-Gemeinde, aber das ist ein anderes Thema. Wir haben’s genossen überhaupt mal den Abschnitt fahren zu können. Also nichts wie los und zur Egger Schlucht.
Nach einer kleinen Rast beim High-Five sind wir wieder ins Boot gestiegen, um den unteren Teil zu fahren, als ich meine Linie versaubeutelt habe, in einer verblockten Passage gekentert bin und mir bei einem heftigen Schlag unter Wasser den Kopf angehauen habe. Ich weiss nicht mehr, wann genau ich noch einen Versuch unternahm, zu rollen, aber als sich das Wasser vor meinen Augen rot färbte, war es Zeit, auszusteigen.
Schnell war das Heck eines Freundes in der Nähe, und ich konnte ans Ufer schwimmen. So hatte ich noch nie „auf die Fresse“ bekommen, mein Helm hatte das meiste abgefangen, aber mir lief das Blut übers Gesicht, es war ein dumpfer Schlag, volle Breitseite. Es ist ein scheiss Gefühl, wenn du erstmal nachschauen musst, ob die Kauleiste noch da ist.
Paddeln war für den Tag erledigt. Dabei raus gekommen ist eine Platzwunde über dem Auge, Röntgen + MRT, eine Arztrechnung, die locker einen neuen Trockenanzug gegeben hätte; und ein paar Wochen mit Schleudertrauma. Lange habe ich die Nächte nicht durchschlafen können wegen den Schmerzen. Zum Ablauf: ich habe, ausser durch meine Freunde, keine Bergung gebraucht, wir konnten die Platzwunde vor Ort mit Stripes versorgen und zum Arzt bin ich erst zu Hause gegangen. Trotzdem: dieses Erlebnis habe ich zum Anlass genommen, mir ein paar Fragen zu den finanziellen Aspekten eines Unfalls zu stellen.
Welche Versicherungen sind relevant beim Kajak-Unfall?
Zunächst einmal habe ich meinen Unfall der Unfallversicherung meines Vereins gemeldet. Erste überraschende Erkenntnis: die würde erst zahlen, wenn ich durch den Unfall bleibende Schäden davon tragen würde (Invalidität), und das nur, wenn eine andere Versicherung nicht sowieso übernimmt.
Zweite überraschende Erkenntnis: Seit ich von meiner privaten in die gesetzliche Krankenkasse gewechselt bin, habe ich keine Auslandskrankenkasse mehr gehabt. Diese habe ich hier zwar nicht gebraucht, aber so war mir das nicht bewusst.
Dritte für mich überraschende Erkenntnis: nachdem ich jahrelang in der Schweiz gewohnt – und Skitouren unternommen hatte, war eine Rega-Mitgliedschaft für mich selbstverständlich geworden. Das ist aber schon lange her, ich wohne wieder in Deutschland und die Rega würde für mich nur noch die Rettung und Bergung (finanziell) übernehmen, wenn der Unfall in der Schweiz passiert. Nur für Schweizer gilt der Rega-Schutz weltweit. Auch das war mir neu.
Langsam wurde das Thema für mich interessant und wir haben angefangen, uns in der Kajak-Gemeinde umzuhören.
Fazit: die meisten hoffen, dass nie etwas passiert, und wenn, dass dann irgend jemand irgendetwas zahlt 🙂
Bitte beachte, dass wir hier keine rechtsverbindliche Beratung leisten können und wollen (alle Angaben sind ohne Gewähr!), vielmehr möchten wir von unseren Erfahrungen berichten und darüber reflektieren, was fürs Kajakfahren Sinn macht (ein meinem Fall für jemanden, der in Deutschland wohnt und dort versichert ist). Dafür spielen wir gedanklich verschiedene Szenarien durch und geben Tipps, worauf du achten könntest.
Diese Fragen solltest du dir stellen (und beantworten):
– Was deckt meine Unfallversicherung ab?
– Was kostet ein Rettungseinsatz, wenn es haarig wird?
– Brauche ich eine Bergeversicherung und was deckt sie ab (und in welchem Land)?
– In welchem Land bin ich versichert und für welche Länder gelten die Leistungen meiner Versicherung?
– Was übernimmt meine Krankenversicherung im Ausland?
– Wann und wo wird Kajakfahren als Risikosportart eingestuft und welche Konsequenzen hat das?
– Wenn du die Wahl hast – sollte eine Ausfahrt lieber als Vereinsfahrt unternommen werden, oder privat?
– Wo auf dieser Welt bist du unterwegs?
– Dass ich mit meiner Verletzung versorgt werde, ist das eine. Aber wer zahlt, wenn ich eine Reha brauche, um meine Gesundheit und Leistungsfähigkeit vollumfänglich wieder herstellen zu können?
– Welche Anbieter und Lösungen gibt es?
Brauche ich eine Unfallversicherung?
Die Antwort ist: das kommt darauf an 😉
Eine (private) Unfallversicherung deckt – entgegen dem Namen – nicht die Kosten ab, die durch einen Unfall verursacht werden, sondern erst einmal nur die gesundheitlichen Schäden, die daraus entstehen. Man spricht dabei von „Invaliditätsleistungen“. Sie kann aber auch weitere Leistungsbausteine enthalten, wie z. B. Krankenhaustage- und Genesungsgeld, Unfallrente oder Todesfallleistungen. Manchmal sind auch eine Reha-Beihilfe, Bergungskosten oder Assistance-Leistungen enthalten. Der Begriff Unfallversicherung ist also nur eine Art Kategorie für alle möglichen vertraglich vereinbarten Leistungen, die sehr individuell sein können.
Was kostet so ein Einsatz, wenn es haarig wird?
Für eine Rettung in unwegsamen Gelände werden schnell mal unterschiedliche Einheiten gebraucht, wie z.B. Rettungskräfte, Swift-Water-Retter, Wasserwacht, Bergwacht, Polizei. Man kann sich also vorstellen, dass so ein Einsatz schnell personalintensiv werden kann, was sich in den Kosten niederschlägt. Andererseits wird oft spezialisiertes Gerät erfordert, wie z.B. ein Rettungshubschrauber mit Winsch und Experten an Board.
Für die Flugminute eines Rettungshubschraubers wird in in Norditalien z.B. 90.- € abgerechnet, in der Lombardei ca 1500 €/Stunde, wobei ein Zusatz von +30 % verrechnet wird, falls unvorsichtiges Verhalten vorlag. Nach unsern Informationen kann die Flugstunden in der Schweiz bis zu 17.000 € kosten. Manche dieser regionalen Regelungen haben eine Obergrenze für das, was vom Betroffenen übernommen werden muss, andere nicht.
Leider liegen uns keine Statistiken vor, wie viel Kosten im Durchschnitt anfallen, aber man kann sich vorstellen: das willst du nicht privat zahlen müssen.
Wofür brauche ich eine Bergungskostenversicherung?
Die Antwort ist: das kommt darauf an 😉
Eine Rettung beim Kajakfahren kann sehr schnell aufwändig werden. Rettungshubschrauber in unzugänglichen Schluchten, Bergwacht, Wasserwacht, Strömungsretter, DLRG, Feuerwehr, je nachdem wird die „ganze Kavallerie“ in Gang gesetzt und eine Menge Leute mobilisiert. Meistens sind Bergekosten bis zu einem gewissen Betrag in der Unfallversicherung enthalten (sofern du eine hast). Du solltest aber abklären, bis zu welchem Betrag diese übernommen werden und ob sie auch im Ausland oder weltweit gilt. Auch ein Thema: was passiert, wenn du aus medizinischen Gründen ausgeflogen werden musst? Lieber einmal mehr nachfragen!
Was übernimmt meine Krankenversicherung im Ausland?
Die Antwort ist: das kommt darauf an 😉
Eine gesetzliche Krankenversicherung ist zunächst einmal keine Auslandskrankenversicherung. Deshalb empfiehlt es sich, eine Auslandskrankenversicherung abzuschließen. Andererseits übernimmt eine Inlands-Krankenversicherung in der Regel auch die Behandlung im Ausland, jedoch maximal zu dem Behandlungssatz, der in Deutschland gezahlt werden würde. Das ist nach unserer Erfahrung kein Problem in Ländern, deren Gesundheitssystem weniger Kosten verursacht als in Deutschland. Wo die Behandlung aber teurer ist, zahlt man die Differenz drauf. Je nachdem wird man dann nur gegen Barzahlung behandelt, oder der Arzt vor Ort setzt sich mit deiner Krankenkasse in Verbindung. Besser ist, du fragst gleich mal bei deiner Krankenversicherung nach.
Wann und wo wird Kajakfahren als Risikosportart eingestuft und welche Konsequenzen hat das?
Wenn eine Sportart als Extremsport oder Risikosport eingestuft wird, kann das dazu führen, dass Versicherungsleistungen gekürzt oder gestrichen werden. Die Rechtsprechung in der Schweiz und die SUVA (Unfallversicherung Schweiz) unterscheidet zum Beispiel „relative“ und „absolute Wagnisse“. Als relatives Wagnis gilt hier: „Fahren Sie in einem reißenden Wildbach mit Ihrem Kanu, haben schlechte Kenntnisse des Geländes und tragen keinen Helm? Dann kann das bei einem Unfall zu Leistungskürzungen führen.“ So wurde z.B. ein Sprung im Kajak von einer 7 Meter hohen Brücke in die Reuss (ohne weitere Sicherheitsmaßnahmen, führte zu einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt) als „absolutes Wagnis“ gewertet, was zu einer Leistungskürzung von 50% führte (Quelle: suva.ch).
Bei manchen Versicherungen oder in manchen Ländern gilt das Fahren im Wildwasserkajak ab einer bestimmten Schwierigkeit als Risikosport. Meine (private) Unfallversicherung unterscheidet zwar nicht die Schwierigkeit, schränkt aber die Deckung für Rennen und Wettbewerbsfahrten ein. Auch wird unterschieden, ob das Paddeln als Hobby oder Beruf ausgeübt wird, etwa weil du als Kajak-Instructor dein Feriengeld aufgebessert hast. Es ist besser, du informierst dich vorher dazu.
Sollte eine Ausfahrt lieber als Vereinsfahrt unternommen werden oder privat?
Viele Vereine bieten ihren Mitgliedern eine kollektive Versicherung an, sodass du als Mitglied gleich mitversichert bist (z. B. bei den Naturfreunden, DAV, DKV…).
Das kann einen Haftpflichtschutz genauso umfassen wie eine Unfallversicherung (kommt auf den Verein an). Der Vorteil besteht darin, dass die Leistungen meistens auf den Bedarf der Outdoor-Aktivität zugeschnitten sind und es einen Ansprechpartner gibt, der im Schadensfall Erfahrung mit dem Thema hat. Natürlich sind auch da die Leistungen und Maximalbeträge begrenzt und oft greifen diese erst, nachdem alle anderen (gesetzlichen und individuellen) Versicherungen ihren Teil übernommen haben.
Voraussetzung für Leistungsansprüche ist außerdem, dass der Unfall bei einer Vereinsaktivität vorgefallen ist. Das muss nicht zwingend eine ausgeschriebene und gemeinsame Ausfahrt sein, je nachdem kann auch die Scouting-Tour, die man zu zweit unternimmt, als Vereinsfahrt gelten, wenn vorab der im Verein Verantwortliche (schriftlich) darüber informiert wurde. Die Versicherung greift natürlich nur, wenn die Voraussetzungen einer Vereinsaktivität gemäß der Bedingungen erfüllt sind. Dann spricht jedenfalls einiges dafür, sie nicht privat, sondern im Rahmen des Vereins durchzuführen, um im Fall der Fälle auf diesen zusätzlichen Schutz zugreifen zu können.
Wo auf dieser Welt bist du unterwegs?
Bisher haben wir uns mit Szenarien im Alpenraum beschäftigt. Aber schon innerhalb von Europa gibt es einige Feinheiten zu beachten. Die lokalen Begebenheiten können zum Teil einen großen Unterschied machen. So kann es in der Schweiz passieren, dass auf dem Gebiet einer Gemeinde eine andere Regelung zum tragen kommt, als 500 m weiter, wo der Kanton zuständig ist, was u. a. mit lokalen Kurtaxen zusammenhängt.
Beispiel Schweiz
Arbeitnehmer in der Schweiz sind automatisch über ihren Arbeitgeber und die SUVA unfallversichert. Es kann aber zu Leistungskürzungen kommen, wenn der Versicherer der Meinung ist, dass man ein besonderes Wagnis eingegangen ist, ergänzt Thorsten Arp: https://www.suva.ch/de-ch/ueber-uns/magazin-und-medien/news/versicherung/sommersport-wie-bin-ich-versichert. Anders als beim DAV ist man beim Schweizer Alpenclub (SAC) nicht unfallversichert.
Beispiel Italien
Thomas Waldner aus Meran, und Organisator des King of the Alps – schreibt uns: „In Südtirol ist es einfach geregelt. Wenn der Einsatz der Hubschrauber-Rettung gerechtfertigt ist (medizinische Begründung und lebensbedrohliche Situation), ist eine Beteiligung an den Kosten des Dienstes in der Höhe von 100 € vorgesehen. Die maximale Kostenbeteiligung beläuft sich auf 1000 Euro je Einsatz, falls der Einsatz nicht gerechtfertigt war, d. h. falls keine Dringlichkeit vorlag.“…
„Unter normalen Umständen sind Behandlung in der Notaufnahme in öffentlichen Krankenhäusern bei uns gratis. Auch der Transport durch den Rettungswagen ist bei einem Unfall kostenfrei. Der Notruf 112 entscheidet die Dringlichkeit, und ob ein Hubschrauber oder ein Rettungswagen geschickt wird. Dies gilt erst einmal für alle EU Bürger.
Beim King of the Alps (23) hatten wir 2 Schulter-Luxationen mit Hubschrauber-Einsatz und nur 100 € Kostenbeteiligung. Dies ist jedoch von der italienischen Region abhängig. Was als gerechtfertigte alpine Rettung aus gesundheitlichen Gründen gilt, und wo die Grenze der Kostenübernahme liegt, wird von der jeweiligen politischen Region und deren Gesetzen geregelt.“
Welche Lösungen und Empfehlungen gibt es?
Natürlich ist es uns nicht möglich, eine seriöse Empfehlung abzugeben. Das liegt auch daran, dass sich Versicherungsbedingungen schnell ändern können, oder dass sie durch aktuelle Gerichtsurteile neu interpretiert und anders angewendet werden könnten.
Wir finden, es lohnt sich, die folgenden Anbieter in Erwägung zu ziehen:
- Der ADAC bietet eine attraktive Auslandskrankenversicherung als Zusatz zur bestehenden Inlandskrankenversicherung mit unterschiedlichen Leistungsbausteinen an. https://www.adac.de
- DAV Mitgliedschaft & Versicherung: Unter den Kollektivversicherungen für Vereine bietet der DAV seinen Mitgliedern verhältnismäßig gute Leistungen an. https://www.alpenverein.de/
- Fördermitgliedschaft Bergrettung Salzburger Land. Die Fördermitgliedschaft beinhaltet eine Versicherung für Bergekosten und gilt auch für Personen, die außerhalb von Österreich wohnen. Sie wird für 1 Jahr abgeschlossen und verlängert sich nur, wenn wieder einbezahlt wird: https://www.bergrettung-salzburg.at/foerderer-werden/einzahlung/
- Flugrettungs-Organisationen wie z. B. die Deutsche Rettungsflugwacht bieten ihren Förder-Mitgliedern u. a. eine weltweite Rückholung im medizinischen Notfall: https://www.drf-luftrettung.de/. Ähnlich funktioniert die Rettungskarte 144 aus der Schweiz: https://www.sos144.ch/de (setzt voraus, dass man über eine gesetzliche Krankenversicherung in der Schweiz verfügt)
- Notfall-GPS-Sender (wie z. B. von Garmin inReach oder Spot) bieten in der Regel ein Abo-Modell an, bei dem der Daten-Dienst und eine Rettung weltweit bis zu einem gewissen Betrag beinhalten:
Welche Erfahrungen habt ihr gesammelt? Seid ihr schon auf Kosten sitzen geblieben und was hättet ihr anders gemacht? Schreibt uns in die Kommentare.